Bewerbungsgespräche

Obwohl nicht in der Personalabteilung tätig und auch keine Führungsposition bekleidend, komme ich hin und wieder mal in den Genuss, Beisitzerin in einem Bewerbungsgespräch zu sein. Vornehmlich handelt es sich hierbei um Gespräche, in denen Ausbildungsplätze besetzt werden sollen. Und zwangsläufig handelt es sich bei den bewerbenden Herrschaften um junge Erwachsene, Anfang zwanzig. Interessant, was dabei so herumkommt. Viele Leute sind bereits sehr erwachsen, einige nicht unbedingt. Einige sind sympathisch, einige wiederum nicht unbedingt. Und einige sind clever, andere......Vollpfosten. Ein solcher saß erst neulich vor mir. Dazu hier mehr, da ich Angst habe, diese interessante Episode in ihrer amüsierend-erschreckenden Gänze zu vergessen, bzw. zu verdrängen.
Der junge Herr der da vor mir saß wurde mir von meinem Kollegen, der ihn in Empfang nahm, schon wegen seines adretten Äußeren angepriesen ("Der sieht wenigstens mal ordentlich aus und hat einen Anzug an.") - was mich erwartete war erstmal eine ordentliche Portion Augenkrebs: das längsgestreifte Hemd hatte quergestreifte Manschetten, die ca. 8 - 10 cm aus dem 2 Nummern zu großen, wiederum längsgestreiften Jackett hervorlugten. Vollendet wurde das modische Ensemble durch eine diagonal - na, was wohl? - gestreifte Krawatte. Soviel zu dem "adretten" Äußeren. Nachdem das Flimmern vor den Augen ganz langsam nachließ, konnte das Gespräch in Angriff genommen werden. Auf die Frage, ob der Herr denn über einen Führerschein verfüge, bekam ich ein: "Nein, um den Führerschein möchte ich mich lieber kümmern, wenn ich mich nicht mehr so auf die Schule konzentrieren muss. Beides ist zu stressig." zu hören.
Hmmm....auf die Schule konzentrieren. "Mir fehlt dazu das nötige Kleingeld" hätte ich gelten lassen. Man muss ja schon einiges auf der hohen Kante liegen haben, um sich den Lappen heutzutage leisten zu können. Aber "ich muss mich auf die Schule konzentrieren" finde ich.....bedenklich. Ich meine es ging hier nicht um eine Promotion, sondern um den Abschluss der Höheren Handelsschule. Und das mit einem Dreierschnitt. Ende drei. Fast vier. Naja. Ok. Jeder Jeck ist anders.
Aus dem Umstand der fehlenden Fahrerlaubnis ergab sich die Frage nach der Erreichbarkeit der Arbeitsstelle, da der Bewerber aus einem nicht ganz nahe am Arbeitsplatz gelegenen Städtchen (Entfernung ca. 20 km) kam. Also wie steht's denn mit dem ÖPNV zur Arbeit zu kommen? Darüber hatte man sich noch keine Gedanken gemacht. Soweit auch noch nicht arg schlimm. Bis dann ergänzt wurde: "aber vielleicht könnte man ja mit dem Fahrrad fahren."
Mir entfuhr ein Erstauntes:"Ist das nicht ein bisschen weit? Sie kommen doch schließlich aus XY." Das wüsste er jetzt nicht genau, wie weit das wäre. "Ja, aber Sie sind doch heute irgendwie hierher gekommen."
"Ja, aber mit dem Auto. Mein Vater hat mich gefahren. "
Oh.....mein.....Gott. Klar. Als Beifahrer die Strecke abzuschätzen ist auch schon echt viel verlangt. Ich sollte meine Ansprüche ernsthaft überdenken...
So, bzw. ähnlich verlief auch der Rest des Gesprächs. Hier noch einige Highlights:
"Wie schaut's denn mit dem Bund aus?"
"Joa. Also: angeschrieben haben die mich schon, aber gemustert wurde ich noch nicht. Aber darüber mache ich mir gar keine Sorgen. Mit meinen Krankheiten werde ich bestimmt ausgemustert."
Äh......äh.....äh......ömm......piu. Wie stelle ich die Frage jetzt möglichst...unverfänglich?
"Warum sind Sie sich denn so sicher, dass Sie ausgemustert werden?"
"Ja, ich hör' ja so schlecht und mit dem Gucken ist auch nicht so gut. Aber eigentlich ist's mit dem Hören ja doch ganz ok."
???????????!!!!!!!!
Aber einen hab' ich noch:
Am Ende eines Bewerbungsgesprächs steht ja meist die Frage, ob der Bewerber denn noch Fragen hat. Und was meist so ist, war auch bei uns so. Also:"Haben Sie noch Fragen an uns?"
Erst kamen sogar ein paar sinnvolle Fragen und dann der Knaller:
"Ja....wie unterscheidet sich die Ausbildung zum Industriekaufmann denn eigentlich von der zum Automobil-, bzw. Groß- und Außenhandelskaufmann?"
Ich gebe mich vollkommener Sprachlosigkeit hin, während mein Kollege versucht, irgendwelche etwaigen Unterschiede zu nennen.
Das Ganze hat mich eine Stunde meiner Arbeitszeit gekostet. Aber das war's mir wert.
Am erschreckendsten erschien mir allerdings mein Kollege, der den Bewerber allen Ernstes als "gut" einstufte.
Ich wiederhole mich: Oh.....mein.....Gott.

Ach, und da ist mir noch etwas eingefallen, was wirklich niedlich war und ebenfalls eine Premiere für mich: bei der Verabschiedung fragte der Herr doch ganz ernsthaft, ob er den Block, den man ihm als Beigabe zum zuvor ausgeteilten und absolvierten Wissenstest überreicht hatte, mitnehmen könnte. Ja, klar. Freu! ..."und den Stift auch?". Da es sich um eine 08/15 Kugelschreiber handelte, der uns in etwa 50 Cent kostet, konnten wir ihm auch diesen Wunsch bereitwillig erfüllen. Freu! Immerhin haben wir ihn damit glücklich gemacht. Wenn schon keinen Ausbildungsplatz, dann wenigstens ein paar "Goodies"....und jetzt Junge, geh mit Gott, aber flott!

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