Weiße Vorweihnachtshölle

Bald eine Woche ist es bereits her, da brach hier - kurz vor Weihnachten - der Winter ein: dicke Flocken verwandelten am Samstag und Sonntag das industrielle Ruhrpottgrau in strahlendes, reines Weiß. Dass dieser Zustand meist nicht lange anhält, dessen ist man sich durchaus bewusst und genau daher genießt man das Wetter auch am Besten direkt bei einem entspannten Schneespaziergang. Hat man eben nicht oft. Und auf genau dieser entspannten Runde ahnt man, was der kommende (montägliche) Morgen wohl bringen wird: Lange Lichterketten auf Autobahn und in der Stadt - Schleicherei und Schimpferei inklusive. All you can bear. For free. Aaaaber: Frau ist ja nicht dumm und eine gaaaanz Ausgeschlafene. Den Wecker also auf 5.10 gestellt, damit man noch vor dem ordinären Mob alles hinter sich gelassen hat. So der Plan.
Eigentlich hätte man die elektronische Aufstehhilfe gar nicht bemühen müssen, da man aufgrund der oh großen Aufregung sowieso nicht schlafen konnte. Ergo war man um 5.10 auch hellwach und voll Tatendrang. So wurde das Vorhaben flugs um die Planung eines morgendlichen Fitnessstudiobesuches erweitert. War ja auch früh genug und genügend Zeitpuffer vorhanden. Also rein in die Joggingbux, Stiefeletten an (die Sportschuhe sollen ja nicht nass werden), Tasche gepackt, schnell durchs Bad, noch 'nen Kaffee auf die Faust und ab! Soweit alles wunderbar dynamisch. Läuft. Bis zur nächsten Straßenecke. Da, wo um die Uhrzeit sonst gar nix los ist, schlichen bereits fünf bis sieben Autos vor mir her. Spitzengeschwindigkeit: 20. Ein kleiner Vorgeschmack. Auf der Bahn wurden aus fünf, fünfhundert Autos und so schlich man kollektiv gen Kreuz Hilden. Mit durchschnittlich wahnsinnigen 40 km/h. Wenn überhaupt. Zudem ohne eine funktionsfähige Scheibenwaschanlage. Ein Traum. Der Fitnessstudiobesuch war aufgrund der fortgeschrittenen Zeit bereits gedanklich gestrichen. Umziehen kann man sich auf der Arbeit. Ärgerlich, aber kein Problem. Noch nicht...
Nun denn: da sich die Scheibenwaschanlagenproblematik nicht von selbst in Wohlgefallen auflöste, wurde eine Ausfahrt vor der eigentlichen abgefahren, um noch einen "kurzen" Pitstop an der Tanke einzulegen. Schließlich sollte der Scheibensprenger auf der Heimfahrt wieder funktionstüchtig sein. Fataler Fehler. Denn: aufgrund fehlenden Winterdienstes staute sich der Individualverkehr auch bereits auf der Landstraße und für die 500 Meter zwischen Autobahnausfahrt und Tankstelle wurden dank dreier liegengebliebener LKW 10 bis 15 Minuten benötigt. Dann endlich: der rettende Shell Tankport, ach was, TankHIMMEL! ....wäre das Gelände nur geräumt gewesen. Kam ja auch ganz überraschend - der Wintereinbruch. Schneite ja erst seit Samstag. Und heute war Montag....So. Aufgrund der 30 cm Schnee stellte die Einfahrt zur Tanke trotz Winterreifen ein unüberwindbares Hindernis dar. Nach ungefähr 20 erfolglosen Versuchen, im ersten oder zweiten Gang anzufahren, sprangen drei Jungens aus einem Lieferwagen und schoben mein Gefährt wenigstens so weit die Einfahrt hinauf, dass ich nicht mehr im Weg stand. Motor aus, in top-modischer Joggingbuxe und Stiefeletten in die Tanke gestiefelt und Frostschutzzeugs gekauft (ohne hier jetzt rassistisch werden zu wollen: ich hatte für den Bruchteil einer Sekunde erwogen, bei dem kurzen Wortwechsel mit der Kassiererin vielleicht einen flotten polnischen Akzent zu imitieren. Hab ich dann aber doch besser gelassen...war mir zu klischeehaft...). Jedenfalls: nach erfolgreichem Kauf der Düsenmischung hatte ich erstmal das Vergnügen mit dem Tanke-eigenen Schneeschieber den Schnee vor meinem Wagen wegzuräumen. Schön in Stiefeletten und Mantel. UND Joggingpeitsche. Eben so richtig asi. Aber so RICHTIG! Bring' ich halt mal den Pott ins Bergische...
Also schnell ("schnell"!!!) wieder ab ins Auto und die Odyssee zur Arbeit fortgesetzt. Nach ca. einer Stunde entspannten Stadtverkehrs (normalerweise sind das 10 Minuten), mit zahlreichen Hassattacken ("Fahr doch Du Arsch! Wenn ich hier jetzt stehenbleibe, komme ich nicht mehr weg....") und Stoßgebeten ans Gefährt ("Komm schon, komm schon!!! ...wenn Du jetzt verreckst, lynchen die hinter mir mich! Die zerren mich aus dem Wagen und hängen mich auf - und das in DEN Klamotten...!") war der rettende Arbeitgeberparkplatz endlich erreicht. Motor aus. Adrenalin runter. Durchatmen. Ein Blick in den Rückspiegel verrät, dass ein Arbeitskollege hinter meinem Wagen auf mich wartet. Stilsicher und erhobenen Hauptes begrüße ich den Kollegen in Stiefeletten und Joggingbuxe mit einem fröhlichen "Moinseeen!" :)

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