06. März 2010: Vor dem Vergnügen kommt die Arbeit

...und vor dem Skifahren die Autobahn. Und die ist lang. Gaaanz lang. In diesem Jahr besonders. Der Startschuss für die Fahrt in den wohlverdienten alpinen Sporturlaub fiel um 3.45. Da ging's los. Und endete erstmal ziemlich abrupt bei Ransbach-Baumbach. Tatsächlich ein wunderschöner Streifen bundesdeutschen Asphalts. Sollte jeder mal gesehen und inspiziert haben. Drei Stunden für etwa fünftausend Meter. Das sind fünfhunderttausend Zentimeter. Das sind fünfzigmillionen Millimeter. WOW - mein persönlicher Rekord. Ich musste beinahe dreißig Jahre alt werden, um das mal mitzuerleben. Drei Stunden lang im Schnee auf der Autobahn stehen. Mein alter Herr ist gerade 72 geworden, und für ihn ist das auch das erste Mal gewesen. Wir haben also beide an diesem Morgen unsere so wohl behütete Jungfräulichkeit was das angeht verloren. Soooo lange haben wir sie aufgehoben, um sie an eine Skiurlaubsfahrt zu verlieren. Aber wenn nicht an sie, an wen dann!?
Und die Rekordjagd geht weiter: es ist gerade viertel nach acht, Primetime sozusagen. Also viertel nach acht abends. Im Fernsehen leiert der Jauch zu dieser Zeit Kandidaten gerade den Telefonjoker aus den Rippen, die XYZ-Prominenz macht eine Kochsause und wir schnecken uns durch Tirol. siebenhundertneunzehn Kilometer auf dem Kilometerzähler. Zweiundsiebzig, die noch bewältigt werden möchten. Schnecked.
Schön war auch Dietz. Ich habe das erste Mal in meinem Leben LKWs in freier Natur querstehen sehen. Nicht spektakulär!? Ich stelle mir vor, das ist wie Wale zu beobachten. Ein echtes Naturschauspiel. Hautnah. Eigentlich müsste man Eintritt dafür nehmen, ich hab's umsonst bekommen. Schwere Kolosse, die sich die Steigungen des Westerwaldes hochkämpfen, schnauben, ächtzen, stönen und schließlich verenden. Der Westerwald ist vielleicht kein LKW-Friedhof, aber mindestens eine Intensivstation. Jedenfalls wenn der Winter zuschlägt.
Auch habe ich mich noch niemals so gefreut, wenn ein Schneepflug vor mir herfuhr. Eigentlich fuhr noch nie ein Schneepflug vor mir her. Und nicht, dass das nicht schon genug der Ehre ist, konnten wir ein Schneepflugpärchen beobachten, wie es in einer ausgefeilten Choreographie Tonnen weißen Pulvers von der Straße schaffte. Ein Tanz in vertrauter Zweisamkeit. Ein eingespieltes Team, das für solche Tage wie heute existiert. Eine kurze Liaison, erschaffen für den Moment. Vergänglich.
Mein Gott, was für ein wirres Zeug....wahrscheinlich, rührt das von zu langem Sitzen in einem zu kleinen Raum. Eine Form des Fahrgestzellenwahnsinns - Autobahnhospitalismus. Nur, dass ich mir noch nicht die Haare ausreiße (geistesgegenwärtig griff ich heute morgen zur Mütze, die ich jetzt auch nicht mehr abnehmen werde), oder vor und zurück wippe (ich bin mittlerweile wahrscheinlich an der Sitzlehne angewachsen). Noch neunundfünfzig Kilometer.
Ich bin froh, dass ich das Notebook mitgenommen habe. Eine weitere Premiere. Ganz wichtig im Wagen sitzen und tippen. Toll. Auch dafür musste ich fast dreißig werden.
Die Navitante erinnert meinen Vater gerade daran, dass er doch bitte die Geschwindigkeitsbeschränkung beachten solle. Ich lache mich innerlich tot. Insbesondere, als ich auf dem Navigationskistchen unsere Durchschnittsgeschwindigkeit entdecke: 45 km/h. Das haut schon rein. Avisierte Ankunftszeit ist einundzwanzig Uhr dreißig. Wie werden sehen. Falls es tatsächlich so kommen sollte, hätten wir dann also fast achtzehn Stunden gebraucht. Ein weiterer Rekord. Das liest sich jetzt, glaube ich, alles ganz schlimm. Ist es aber irgendwie nicht. Mir kam es nicht so lang vor. Schon sehr lang, aber nicht so lang. Aber ich möchte gleich irgendwie gerne eine Zigarette rauchen, wenn wir angekommen sind. Die habe ich aber zu Hause gelassen. Das ärgert mich jetzt am Meisten. Schlimm, oder? Eine Gelegenheitsraucherin, die sich gleich als erstes nach einer Kippe sehnt. Die wird's nicht geben. Aber das ist auch nicht so schlimm. Hauptsache heil angekommen. Und Skiurlaub. :)

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